Warum Verkäufer die Finanzierung des Käufers genau prüfen müssen
Ein Haus oder ein Unternehmen zu verkaufen ist mehr als nur einen Preis auszuhandeln. Der wahre Moment der Wahrheit kommt, wenn der Käufer sagt: Kaufpreisfinanzierung ist geregelt. Aber was heißt das wirklich? Viele Verkäufer denken: Wenn die Bank sagt Ja, dann ist alles gut. Das ist ein gefährlicher Irrtum. Denn wenn die Bank das Geld auszahlt, aber der Käufer es nicht für den Kaufpreis nutzt, bleibt der Verkäufer auf dem Schaden sitzen. Und das, obwohl er das Objekt schon übergeben hat.
Das passiert öfter, als man denkt. In 40 % der Fälle, in denen keine klare Sicherungsabrede steht, droht dem Verkäufer eine persönliche Haftung - laut KfW-Experten. Das bedeutet: Er könnte für Schulden haften, die gar nicht seine sind. Kein Verkäufer sollte das riskieren. Die Lösung liegt nicht im Vertrauen, sondern in der Rechtskonstruktion.
Die Finanzierungsgrundschuld: Die sicherste Waffe für Verkäufer
Die Finanzierungsgrundschuld ist das Standardinstrument in Deutschland, wenn es um sichere Kaufpreiszahlungen geht. Sie unterscheidet sich von einer normalen Grundschuld dadurch, dass sie ausschließlich für die Zahlung des Kaufpreises gedacht ist. Die Bank darf das Geld nur dann an den Käufer auszahlen, wenn der Verkäufer den Kaufpreis tatsächlich erhalten hat.
Diese Grundschuld wird im Grundbuch eingetragen - und das ist der entscheidende Punkt. Sie ist kein Versprechen, kein Papier, kein Vertrauensakt. Sie ist ein rechtlicher Zwang. Die Bank muss vor der Auszahlung nachweisen: Der Verkäufer hat die Zahlung erhalten. Erst dann wird das Geld freigegeben. Keine Bank riskiert es, gegen diese Regel zu verstoßen. Deshalb funktioniert dieses System in 98 % aller Transaktionen über 250.000 Euro.
Im Vergleich zu Verkäuferdarlehen (Vendor Loans), bei denen der Verkäufer selbst Geld leiht, ist die Finanzierungsgrundschuld deutlich sicherer. Vendor Loans kommen nur bei kleineren Transaktionen unter 100.000 Euro zum Einsatz - und selbst da scheitern bis zu 30 % der Geschäfte, weil die Bank den Kaufpreis als zu hoch einstuft. Die Finanzierungsgrundschuld hingegen wird von fast allen Banken akzeptiert, weil sie klar strukturiert ist und das Risiko für alle Beteiligten minimiert.
Die eingeschränkte Sicherungsabrede: Der unsichtbare Schutzschild
Die Finanzierungsgrundschuld allein reicht nicht. Sie muss mit einer zweiten Säule verbunden werden: der eingeschränkten Sicherungsabrede. Diese Abrede steht im Kaufvertrag - und sie ist der Schlüssel, um den Verkäufer vor Haftung zu bewahren.
Ohne diese Abrede könnte die Bank das Grundstück als Sicherheit verwenden, selbst wenn der Käufer das Darlehen für andere Dinge nutzt - etwa für einen neuen Firmenwagen oder eine Ferienwohnung. Dann wäre der Verkäufer im Grundbuch als Sicherungsgeber eingetragen, obwohl er nie etwas davon hatte. Das ist kein theoretisches Szenario. Rechtsanwalt Maeder vom Büro Hildebrandt-Maeder hat Fälle dokumentiert, in denen Verkäufer jahrelang vor Gericht kämpfen mussten, weil der Käufer das Geld veruntreut hatte.
Die eingeschränkte Sicherungsabrede verhindert das. Sie besagt: Die Bank darf die Grundschuld nur insoweit verwerten, wie der Käufer das Darlehen tatsächlich für den Kaufpreis verwendet hat. Das ist der einzige Weg, um den Verkäufer vollständig von der Haftung zu entbinden. Und sie muss explizit im Vertrag stehen. Kein Notar darf sie einfach unterschlagen. Wer sie nicht verlangt, gibt sein Recht auf.
Das Notaranderkonto: Wo das Geld sicher liegt
Der Notar ist nicht nur ein Zeuge. Er ist der Kontrolleur. Und der wichtigste Kontrollpunkt ist das Notaranderkonto. Hier kommt das Geld der Bank nicht direkt zum Käufer - sondern auf ein separates Konto, das der Notar verwaltet. Erst wenn alle Unterlagen vorliegen: die Löschungsbewilligungen, die Grundbucheintragung, die eingeschränkte Sicherungsabrede - erst dann wird der Betrag an den Verkäufer überwiesen.
Dieses System ist so robust, dass 78 % der Verkäufer in einer Umfrage der Deutschen Notarkammer (2023) angeben, sich dadurch sicherer zu fühlen. Es gibt keine Möglichkeit, dass das Geld verloren geht oder missbraucht wird. Der Verkäufer bekommt sein Geld - oder gar nichts. Kein Zwischenschritt. Kein Risiko. Kein Vertrauen nötig.
Ein Beispiel: Ein Verkäufer aus Graz hat im Oktober 2023 seine Immobilie über 420.000 Euro verkauft. Die Bank überwies das Geld auf das Notaranderkonto. Am 14. Tag nach der Beurkundung erhielt er die volle Summe. Kein Anruf, keine Nachfragen - einfach das Geld. Das ist der Standard. Nicht die Ausnahme.
Was Verkäufer vor der Unterzeichnung tun müssen
Die größten Fehler passieren, bevor der Stift aufs Papier kommt. Hier sind die drei wichtigsten Schritte, die jeder Verkäufer machen muss:
- Die Finanzierungszusage der Bank einsehen. Nicht nur die Kopie. Die Originaldokumente. Prüfen Sie: Steht darin, dass das Darlehen exklusiv für den Kaufpreis bestimmt ist? Steht die Finanzierungsgrundschuld als Sicherheit? Wenn nein - verhandeln Sie nach.
- Die eingeschränkte Sicherungsabrede im Vertrag prüfen. Suchen Sie den genauen Wortlaut: „Die Grundschuld dient ausschließlich der Sicherung der Kaufpreisforderung und nur insoweit, als der Käufer das Darlehen für den Kaufpreis verwendet hat.“ Wenn diese Formulierung fehlt - lassen Sie den Vertrag nicht unterschreiben.
- Die Bonität des Käufers prüfen. 52 % der Notare berichten, dass Verkäufer die Bonitätsprüfung ignorieren. Ein Käufer mit schlechter Kreditwürdigkeit kann trotz Finanzierungszusage scheitern. Fragen Sie nach dem Kreditantrag. Fragen Sie nach dem Einkommensnachweis. Ein Käufer, der seine Finanzierung nicht nachweisen kann, ist kein Käufer - er ist ein Risiko.
Ein weiterer Fehler: Vollmachten ohne Zweckbindung unterschreiben. 42 % der Anwälte sehen diese Fehler in ihren Akten. Eine Belastungsvollmacht erlaubt dem Käufer, das Grundstück zu beleihen - aber nur, wenn sie klar sagt: „zum Zweck der Kaufpreisfinanzierung“. Ohne diese Einschränkung ist sie wertlos - und gefährlich.
Was passiert, wenn etwas schiefgeht?
Ein Fall aus dem Januar 2024: Ein Verkäufer in München hat sein Unternehmen verkauft. Die Bank hatte die Finanzierungszusage erteilt. Der Käufer hat aber falsche Angaben gemacht. Die Bank hat das Darlehen nicht ausgezahlt. Der Verkäufer hatte das Objekt schon übergeben. Er war nun im Rechtsstreit - und hatte monatelang keine Zahlung erhalten.
Warum? Weil er die eingeschränkte Sicherungsabrede nicht verlangt hatte. Und weil er nicht auf das Notaranderkonto bestanden hatte. Die Finanzierungsgrundschuld war eingetragen - aber ohne die richtigen Begleitbedingungen war sie wirkungslos.
Der BGH hat 2006 klargestellt: Der Verkäufer haftet nicht für die Darlehensbesicherung - es sei denn, er hat sich ausdrücklich dazu verpflichtet. Das ist Ihr Schutz. Nutzen Sie ihn. Wenn Sie die Abrede nicht verlangen, geben Sie Ihren Schutz auf.
Die Zukunft: Digitalisierung und mehr Sicherheit
Seit 2023 gibt es das elektronische Grundbuch. Das bedeutet: Grundschulden werden schneller eingetragen - um durchschnittlich 5 Tage kürzer als früher. Die Bundesbank plant bis 2025 eine digitale Plattform, die alle Beteiligten - Bank, Notar, Verkäufer, Käufer - in einem sicheren System verknüpft. Das wird die Prozesse noch transparenter machen.
Experten prognostizieren: Bis 2027 wird der Anteil von Vendor Loans auf unter 20 % sinken. Die Finanzierungsgrundschuld wird bei über 95 % der Transaktionen die Standardlösung sein. Warum? Weil sie funktioniert. Sie ist nicht perfekt - aber sie ist die sicherste Lösung, die der Markt bietet.
Die Kosten sind gestiegen - um 200 bis 300 Euro pro Transaktion - wegen der strengeren Regeln. Aber die Sicherheit ist es wert. Wer heute spart, zahlt morgen doppelt - mit Zeit, Stress und Geld.
Was Sie jetzt tun sollten
Wenn Sie verkaufen: Fordern Sie die Finanzierungsgrundschuld. Fordern Sie die eingeschränkte Sicherungsabrede. Fordern Sie das Notaranderkonto. Fordern Sie die Bonitätsprüfung. Und unterschreiben Sie nichts, was nicht alles enthält.
Es ist nicht Ihre Aufgabe, die Bank zu überzeugen. Es ist nicht Ihre Aufgabe, dem Käufer zu vertrauen. Ihre Aufgabe ist es, Ihr Geld zu sichern. Und das geht nur mit Recht - nicht mit Hoffnung.