Was wirklich hinter Cap Rate und IRR steckt
Wenn du in Immobilien investierst, dann wirst du schnell auf zwei Begriffe stoßen: Cap Rate und IRR. Viele Makler werben mit hohen Cap Rates, als wäre das die einzige Zahl, die zählt. Aber das ist irreführend. Die Cap Rate sagt dir, wie viel Cash die Immobilie im ersten Jahr abwirft - aber nichts darüber, was danach passiert. Der IRR hingegen zeigt dir, wie sich dein Geld über die gesamte Laufzeit entwickelt. Beide Zahlen sind wichtig. Aber nur, wenn du sie richtig verstehst.
Die Cap Rate: Die einfache Momentaufnahme
Die Cap Rate (Kapitalisierungsrate) ist die einfachste Renditekennzahl. Sie rechnet einfach: Netto-Mieteinnahmen geteilt durch den Kaufpreis. Beispiel: Du kaufst eine Wohnung für 500.000 Euro. Jedes Jahr bekommst du nach Abzug aller Betriebskosten - also Reparaturen, Verwaltung, Hausmeister, Versicherung - 30.000 Euro Nettoeinnahmen. Dann ist deine Cap Rate 6 % (30.000 : 500.000 × 100).
Diese Zahl ist nützlich, um schnell zu vergleichen: Welche Immobilie bringt mehr Cash pro Euro Investition? Ein Objekt mit 7 % Cap Rate sieht auf den ersten Blick besser aus als eines mit 4 %. Aber Achtung: Die Cap Rate ignoriert alles, was nach dem Kauf kommt. Keine Steuern. Keine Finanzierungskosten. Keine Wertsteigerung. Keine Sanierungskosten. Keine Mietsteigerungen. Sie ist wie ein Foto - sie zeigt nur einen Moment.
In Deutschland liegt die durchschnittliche Cap Rate für Wohnimmobilien aktuell bei 3,5 bis 4,5 %. In Städten wie Berlin oder München ist sie oft noch niedriger, weil die Preise gestiegen sind, die Mieten aber nicht mitgezogen haben. Gewerbeimmobilien kommen auf 4-5,5 %, Einzelhandelsobjekte auf 4,5-6 %. Wer eine Cap Rate von 8 % oder höher anbietet, sollte dich warnen: Ist das Objekt sanierungsbedürftig? Gibt es kurze Mietverträge? Steht eine Mieterhöhung aus? Oder ist der Preis einfach zu niedrig angesetzt?
Der IRR: Die echte Rendite über die Zeit
Der Interne Zinsfuß (IRR) ist die komplexere, aber viel aussagekräftigere Zahl. Er berechnet, wie viel Geld du insgesamt über die gesamte Haltezeit verdienst - inklusive Mieteinnahmen, Wertsteigerung, Verkaufserlös und allen Kosten dazwischen. Es ist, als würdest du die gesamte Lebensgeschichte deiner Investition lesen, statt nur die erste Seite.
Stell dir vor: Du kaufst ein Haus für 800.000 Euro. Du zahlst 40 % Eigenkapital, den Rest finanzierst du. Die ersten drei Jahre investierst du 20.000 Euro pro Jahr in Sanierung. Danach steigt die Miete jedes Jahr um 2 %. Nach sieben Jahren verkaufst du das Haus für 1,2 Millionen Euro. Der IRR berechnet jetzt: Wie viel Rendite hast du pro Jahr durchschnittlich verdient - unter Berücksichtigung all dieser Ein- und Auszahlungen? Das ist nicht mit dem Taschenrechner machbar. Du brauchst Excel oder spezielle Software.
Professionelle Fonds erzielen in Europa durchschnittlich 7,8 % IRR über 10 Jahre. Wohnimmobilienfonds kommen auf 6,5 %, Gewerbe auf 8,2 %. Das ist der Maßstab. Wenn du als Privatinvestor mit 5 % IRR planst, bist du realistisch. Mit 10 % bist du optimistisch - und brauchst eine sehr gute Prognose.
Warum ist der IRR so schwer? Weil er von Annahmen abhängt: Wie viel steigt die Miete? Wie hoch sind die Instandhaltungskosten in 5 Jahren? Wirst du das Objekt verkaufen - und zu welchem Preis? Wenn du zu optimistisch bist, klappt es nicht. Die Deutsche Bundesbank warnt: Viele IRR-Berechnungen basieren auf Mietsteigerungen von über 3 % pro Jahr - das ist in vielen Regionen nicht realistisch.
Cap Rate vs. IRR: Wann was nutzen?
Es geht nicht um „besser“ oder „schlechter“. Es geht um „richtig eingesetzt“.
- Die Cap Rate ist dein erster Filter. Wenn du 50 Immobilien durchsiehst, rechnest du schnell die Cap Rate aus. Objekte unter 3 % ignorierst du erstmal. Objekte über 6 % prüfst du genau - vielleicht gibt es einen Grund, warum sie so günstig sind.
- Der IRR ist dein Endurteil. Nur wenn du ein Objekt in die engere Auswahl genommen hast, rechnest du den IRR. Du baust einen Cashflow über 5, 10 oder 15 Jahre auf. Du schaust: Was passiert, wenn die Miete nicht steigt? Was, wenn die Instandhaltung teurer wird? Was, wenn der Verkauf nur 10 % über dem Kaufpreis liegt? Der IRR zeigt dir, wie robust deine Investition ist.
Ein Beispiel: Zwei Objekte. Objekt A: Cap Rate 6 %, Kaufpreis 1 Million Euro. Objekt B: Cap Rate 4,4 %, Kaufpreis 1,8 Millionen Euro. Auf den ersten Blick ist A besser. Aber: Objekt B liegt in einer wachsenden Stadt, die Miete steigt jedes Jahr um 2,5 %, und nach 8 Jahren kannst du es für 2,5 Millionen verkaufen. Der IRR von B könnte bei 9 % liegen - während A nur 5 % bringt. Die Cap Rate hat dich falsch geleitet. Der IRR hat dich gerettet.
Was andere Kennzahlen nicht sagen
Es gibt noch mehr Zahlen - und sie alle täuschen, wenn du sie einzeln betrachtest.
Cash-on-Cash-Rendite: Sie sagt dir nur, wie viel Cash du auf dein Eigenkapital bekommst. Wenn du 200.000 Euro Eigenkapital einsetzt und 12.000 Euro Cashflow bekommst, hast du 6 % Cash-on-Cash. Aber was, wenn du in 3 Jahren noch 100.000 Euro in Sanierung investierst? Diese Zahl ignoriert das.
Total Return: Das ist die Summe aus Mieteinnahmen und Wertsteigerung. Klingt gut. Aber wie berechnest du die Wertsteigerung? Mit dem Preis von Nachbarobjekten? Mit dem Gutachten? Mit der Hoffnung? Ohne IRR bleibt das eine Schätzung.
Die Wahrheit: Keine einzelne Kennzahl sagt alles. Du brauchst ein System.
Was Profis machen - und was Anfänger falsch machen
Ein Immobilieninvestor aus Berlin, der 12 Objekte besitzt, sagt: „Ich schaue zuerst auf die Cap Rate. Wenn sie unter 4 % liegt, nehme ich mir das Objekt nicht mal an. Wenn sie über 5 % ist, baue ich einen 10-Jahres-Cashflow. Dann rechne ich den IRR. Wenn der unter 6 % liegt, kaufe ich nicht.“
Was Anfänger oft falsch machen:
- Sie nehmen die Miete als Nettoeinnahme - aber vergessen Hausgeld, Instandhaltung, Leerstand, Maklerkosten.
- Sie berechnen die Cap Rate mit dem Kaufpreis, aber ignorieren notwendige Sanierungskosten - die dann später vom Cashflow abgezogen werden.
- Sie glauben, ein hoher IRR sei immer gut. Aber wenn der IRR von 12 % auf einer Prognose basiert, die Mieten um 4 % jährlich steigen lässt - und das in einer Stadt, wo die Mieten seit 10 Jahren konstant sind - dann ist das eine Falle.
- Sie verlassen sich auf Maklerangaben. Viele Makler werben mit „6 % Rendite“ - aber das ist die Bruttomiete, nicht das Netto. Oder sie berechnen die Cap Rate nur mit der Miete, nicht mit den Kosten.
Die Lösung: Lerne, wie man NOI (Net Operating Income) richtig berechnet. Das ist der Schlüssel. NOI = Bruttomiete - alle Betriebskosten. Nicht mehr. Nicht weniger. Keine Zinsen. Keine Abschreibungen. Keine Steuern. Nur das, was die Immobilie selbst verdient.
Die Zukunft: Software, KI und ESG
Heute nutzen 92 % der professionellen Investoren Software, die Cap Rate und IRR automatisch berechnet. Vor fünf Jahren war es noch die Hälfte. Die Tools werden immer besser. Einige Plattformen, wie Immoment.io, nutzen KI, um Mietsteigerungen und Verkaufspreise realistischer vorherzusagen - basierend auf historischen Daten, Stadtentwicklungsplänen und Mieterverhalten.
Aber es gibt einen neuen Trend: Nachhaltigkeit. Die ESG-Kriterien - Umwelt, Soziales, Governance - werden immer wichtiger. Eine Immobilie mit guter Energiebilanz, barrierefreier Ausstattung und stabilen Mietverhältnissen hat nicht nur einen höheren IRR - sie ist auch länger vermietbar und verliert weniger an Wert. Die Zukunft gehört nicht nur den Zahlen - sondern den Objekten, die auch morgen noch attraktiv sind.
Was du jetzt tun solltest
Wenn du gerade erst anfängst:
- Finde drei Immobilien, die dich interessieren.
- Berechne für jede die Cap Rate: NOI durch Kaufpreis. Vergiss nicht: NOI = Miete minus alle Betriebskosten.
- Wenn die Cap Rate über 4,5 % liegt, baue einen einfachen Cashflow: 5 Jahre Miete, 10 % Instandhaltung pro Jahr, 2 % Mietsteigerung, Verkauf nach 5 Jahren für 10 % über Kaufpreis.
- Rechne den IRR mit Excel: Nutze die Formel „=IRR()“ mit allen Ein- und Auszahlungen.
- Vergleiche die Ergebnisse. Welches Objekt hat die beste Cap Rate? Welches hat den besten IRR? Warum?
Es braucht 30 bis 40 Stunden, bis du diese Zahlen wirklich versteht. Aber danach siehst du Immobilien nicht mehr wie alle anderen. Du siehst Cashflows. Du siehst Zeit. Du siehst Risiken. Und das macht den Unterschied.