Erbbaurecht im Nachlass: So wird es bewertet und steuerlich behandelt
5 November 2025 0 Kommentare Tilman Fassbinder

Erbbaurecht im Nachlass: So wird es bewertet und steuerlich behandelt

Was ist ein Erbbaurecht - und warum ist es anders als ein Grundstück?

Ein Erbbaurecht ist kein Grundstück. Es ist ein Recht, auf einem Grundstück ein Haus zu bauen und zu bewohnen - ohne das Land selbst zu besitzen. Das Grundstück bleibt beim Grundstückseigentümer, aber du bekommst das Recht, darauf zu bauen, zu wohnen, zu vermieten oder zu verkaufen. Das ist kein Mietvertrag. Es ist ein dingliches Recht, das im Grundbuch eingetragen wird - und zwar in einem eigenen Blatt, dem Erbbaugrundbuch. Das bedeutet: Du hast ein eigenes, vererbbares Vermögen, das nichts mit dem Boden zu tun hat.

Die Laufzeit ist meist 60 bis 99 Jahre. Nach Ablauf geht das Haus automatisch an den Grundstückseigentümer über - aber du oder dein Erbe bekommen eine Entschädigung für den Wert des Gebäudes. Das ist wichtig, denn viele denken, das Haus fällt einfach weg. Nein: Es wird bezahlt. Und das hat steuerliche Folgen.

Wie wird ein Erbbaurecht im Nachlass bewertet?

Im Erbfall wird das Erbbaurecht nicht nach dem Wert des Hauses bewertet, sondern nach seinem Nutzen. Das Finanzamt schaut auf drei Dinge: die Restlaufzeit, den Erbbauzins und den Wert des Gebäudes.

  • Restlaufzeit: Ein Erbbaurecht mit noch 80 Jahren Laufzeit ist viel wertvoller als eines mit nur 15 Jahren. Je kürzer die Zeit, desto weniger ist es wert. Das ist wie bei einer Mietwohnung mit langem Mietvertrag - je länger die Sicherheit, desto höher der Preis.
  • Erbbauzins: Das ist der jährliche Betrag, den du an den Grundstückseigentümer zahlst - meist 3 bis 5 % des Bodenwerts. Dieser Zins wird in die Bewertung einbezogen, weil er ein laufender Kostenfaktor ist. Das Finanzamt kapitalisiert diesen Zins: Es rechnet aus, wie viel Geld du in den nächsten Jahren noch zahlen wirst, und zieht das vom Gesamtwert ab.
  • Gebäudewert: Das Haus selbst wird nach dem Verkehrswert bewertet - also so, wie du es heute verkaufen könntest. Aber: Nur der Teil, der noch nutzbar ist. Ein 30 Jahre altes Haus mit 15 Jahren Restlaufzeit hat weniger Wert als ein neues Haus mit 90 Jahren Laufzeit.

Das Ergebnis ist kein fester Betrag. Es ist ein berechneter Wert, der sich aus der Kapitalisierung der zukünftigen Erbbauzinszahlungen und dem Restnutzen des Gebäudes ergibt. Ein Steuerberater oder ein Gutachter macht das mit dem Bewertungsgesetz (BewG) und den Finanzverwaltungsanweisungen. Es gibt keine Standardformel, aber es gibt klare Regeln.

Wie viel Erbschaftsteuer fällt an?

Das Erbbaurecht ist steuerpflichtig - genau wie ein Grundstück oder eine Wohnung. Es zählt zum Nachlass und wird mit dem Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) bewertet. Aber hier kommt der entscheidende Unterschied: Die Steuerhöhe hängt davon ab, wer erbt.

  • Steuerklasse I: Ehegatte, Kinder, Enkel, Eltern - hier gibt es hohe Freibeträge: 400.000 € für Kinder, 500.000 € für Ehegatten. Das bedeutet: Wenn das Erbbaurecht unter 400.000 € bewertet wird, fällt für dein Kind keine Steuer an. Das ist ein großer Vorteil.
  • Steuerklasse III: Geschwister, Neffen, Freunde - hier gibt es nur 20.000 € Freibetrag. Bei einem Erbbaurecht mit einem Wert von 150.000 € zahlt ein Neffe schon über 30.000 € Steuer. Das ist ein massiver Unterschied.

Die Steuersätze liegen zwischen 7 % und 50 %, je nach Wert und Verwandtschaft. Ein Erbbaurecht mit 300.000 € Wert, vererbt an ein Kind, bleibt steuerfrei - vorausgesetzt, es liegt unter dem Freibetrag. Bei 500.000 € wird der Überschuss mit 15 % besteuert. Das ist viel weniger als bei einem Grundstück mit gleicher Bewertung, weil das Erbbaurecht nur ein Nutzungsrecht ist.

Was passiert mit dem Gebäude beim Erbfall?

Das Haus gehört dir - nicht dem Grundstückseigentümer. Das ist ein häufiger Irrtum. Im Erbbaurechtsvertrag steht klar: Du bist Eigentümer des Bauwerks. Wenn du stirbst, geht das Haus mit dem Erbbaurecht an deinen Erben. Der Grundstückseigentümer hat kein Recht darauf, es zu behalten. Er bekommt nur die Entschädigung, wenn das Erbbaurecht ausläuft.

Im Erbfall ändert sich nichts - außer, dass der neue Erbe den Erbbauzins weiterzahlt. Und er hat dieselben Rechte wie du: er kann das Haus verkaufen, vererben, verleihen, belasten. Er muss nur den Vertrag einhalten. Der Grundstückseigentümer muss zustimmen, wenn du das Erbbaurecht verkaufst - aber nicht, wenn du es vererbst. Das ist ein wichtiger Unterschied.

Waage mit Hauswert und Erbbauzinsen, Restlaufzeit als Kalender im Hintergrund.

Was ist mit Erbbauzins-Rückständen?

Wenn du vor deinem Tod Erbbauzinsen nicht gezahlt hast, werden diese Schulden Teil des Nachlasses. Dein Erbe muss sie begleichen - oder das Erbbaurecht verkaufen, um sie zu tilgen. Das Finanzamt zählt diese Schulden als Nachlassverbindlichkeiten. Das bedeutet: Sie werden vom Gesamtwert abgezogen, bevor die Steuer berechnet wird.

Beispiel: Das Erbbaurecht ist mit 250.000 € bewertet. Du hast 15.000 € Zinsen hinterlassen. Der steuerpflichtige Wert ist dann 235.000 €. Das reduziert die Steuerlast. Aber: Der Erbe muss trotzdem die 15.000 € zahlen - entweder aus seinem eigenen Geld oder indem er das Erbbaurecht verkauft.

Was passiert, wenn das Erbbaurecht vor Ablauf vererbt wird?

Wenn das Erbbaurecht noch 40 Jahre läuft, ist das für den Erben ein Vorteil. Er hat noch lange Zeit, das Haus zu nutzen, zu vermieten oder zu verkaufen. Aber: Wenn es nur noch 5 Jahre läuft, ist es fast wertlos. Der Wert sinkt rapide. Viele Erben verkaufen dann das Erbbaurecht - oft zu einem Preis, der nur noch 10 bis 20 % des ursprünglichen Wertes beträgt.

Einige Verträge enthalten eine Verlängerungsklausel. Das ist ein großer Pluspunkt. Wenn der Erbe die Möglichkeit hat, das Erbbaurecht um weitere 60 Jahre zu verlängern, steigt der Wert deutlich. Das Finanzamt berücksichtigt das - wenn es schriftlich im Vertrag steht. Ohne solche Klausel ist das Erbbaurecht fast nur noch ein „zeitlich begrenztes Wohnrecht“ - und damit kaum noch attraktiv.

Was muss der Erbe tun - und was ist gefährlich?

Wenn du ein Erbbaurecht hinterlässt, muss dein Erbe drei Dinge tun:

  1. Den Nachlass anmelden: Innerhalb von drei Monaten beim Finanzamt. Dazu gehört auch die Bewertung des Erbbaurechts - mit Gutachten oder Fachgutachten.
  2. Die Steuererklärung abgeben: Mit allen Unterlagen: Vertrag, Grundbuchauszug, Bewertung, Nachweis der Erbbauzinszahlungen.
  3. Den Erbbauzins weiterzahlen: Der Grundstückseigentümer bleibt der Ansprechpartner. Keine Zahlung = Vertragsverletzung = mögliche Kündigung.

Die größte Falle: Viele Erben denken, sie müssten das Grundstück kaufen, um das Haus zu behalten. Das ist falsch. Sie haben das Recht, das Erbbaurecht zu behalten - solange es läuft. Wer das nicht weiß, zahlt unnötig Geld, um das Grundstück zu erwerben - und verliert dann noch die Steuervorteile.

Familie bespricht Erbbaurecht-Dokumente bei lampebeleuchtetem Tisch.

Wann lohnt es sich, das Erbbaurecht zu verkaufen?

Ein Erbbaurecht mit nur noch 10 Jahren Laufzeit ist kaum noch ein Vermögenswert. Es ist teuer zu halten, schwer zu vererben, und kaum zu verkaufen. In solchen Fällen lohnt sich oft der Verkauf - auch wenn der Preis niedrig ist.

Der Grund: Der Erbe muss weiterhin den Erbbauzins zahlen, und er kann das Haus nicht mehr vererben, ohne dass es bald wegfallen wird. Wenn du das Erbbaurecht verkaufst, bekommst du Geld - und kannst es in etwas anderes investieren: eine Eigentumswohnung, eine Lebensversicherung, eine andere Immobilie. Das ist oft klüger, als ein wertloses Recht zu behalten.

Was ist mit Miterben?

Wenn mehrere Kinder erben, wird das Erbbaurecht gemeinsam aufgeteilt. Jeder hat dann ein Miteigentumsrecht. Das ist praktisch: Sie können das Haus gemeinsam nutzen, vermieten oder verkaufen. Aber es ist auch riskant: Wenn einer will, dass das Haus verkauft wird, und der andere nicht - dann muss ein Gericht entscheiden. Das kann teuer und langwierig werden.

Besser: Ein Erbvertrag. Dort kann geregelt werden, wer das Erbbaurecht bekommt - oder ob es verkauft und der Erlös geteilt wird. So vermeidest du Streit nach deinem Tod.

Frequently Asked Questions

Ist ein Erbbaurecht steuerpflichtig?

Ja, ein Erbbaurecht ist steuerpflichtig, weil es ein eigenständiges Vermögensrecht ist. Es wird wie ein Grundstück zum Nachlass gezählt und nach dem Erbschaftsteuergesetz bewertet. Die Höhe der Steuer hängt vom Wert des Erbbaurechts und der Verwandtschaft des Erben ab.

Wie wird der Wert eines Erbbaurechts berechnet?

Der Wert setzt sich aus drei Faktoren zusammen: dem Verkehrswert des Gebäudes, der Restlaufzeit des Erbbaurechts und den zukünftigen Erbbauzinszahlungen. Das Finanzamt kapitalisiert die zukünftigen Zinsen und zieht sie vom Gebäudewert ab. Ein Gutachter berechnet das nach dem Bewertungsgesetz - nicht nach dem Marktpreis des Hauses.

Kann ich ein Erbbaurecht vererben, ohne dass der Grundstückseigentümer zustimmt?

Ja, das ist möglich. Bei der Vererbung brauchst du keine Zustimmung des Grundstückseigentümers. Das gilt nur, wenn du das Erbbaurecht während deines Lebens verkaufst oder verschenkst. Im Erbfall ist die Vererbung automatisch gültig - das steht im ErbbauRG.

Was passiert mit dem Haus, wenn das Erbbaurecht ausläuft?

Wenn das Erbbaurecht endet, geht das Haus automatisch an den Grundstückseigentümer über. Aber: Der Erbbauberechtigte oder sein Erbe hat einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für den Wert des Gebäudes - das ist in § 27 ErbbauRG geregelt. Diese Entschädigung wird vom Grundstückseigentümer gezahlt, nicht vom Finanzamt.

Hat ein Erbbaurecht einen Freibetrag bei der Erbschaftsteuer?

Ja, genauso wie ein Grundstück. Kinder und Ehegatten haben einen Freibetrag von 400.000 € bzw. 500.000 €. Wenn der bewertete Wert des Erbbaurechts unter diesem Betrag liegt, fällt keine Steuer an. Der Freibetrag wird nicht auf das Grundstück oder das Haus angerechnet - er gilt für das gesamte Erbe.

Was kommt als Nächstes?

Wenn du ein Erbbaurecht hast, prüfe jetzt: Wie lange läuft es noch? Was ist der aktuelle Erbbauzins? Wer wird es erben? Und hast du einen Erbvertrag? Das sind die vier Fragen, die du klären musst - nicht erst nach deinem Tod. Ein einfacher Blick in den Vertrag und ein Gespräch mit einem Steuerberater spart deinen Erben Tausende Euro - und unnötigen Stress.

Ein Erbbaurecht ist kein Problem. Es ist eine Chance - wenn du es richtig nutzt. Es ist ein langfristiges Vermögen, das du vererben kannst. Aber nur, wenn du weißt, wie es funktioniert.