Zweite Grundschuld und Nachrangdarlehen: So funktioniert die zusätzliche Immobilienfinanzierung
23 Dezember 2025 0 Kommentare Tilman Fassbinder

Zweite Grundschuld und Nachrangdarlehen: So funktioniert die zusätzliche Immobilienfinanzierung

Stell dir vor, du hast deine Immobilie schon mit einem Kredit finanziert, aber jetzt brauchst du noch Geld - für den Dachausbau, die neue Heizung oder die Sanierung des Badezimmers. Die erste Grundschuld ist schon im Grundbuch, und du willst nicht dein gesamtes Darlehen abbezahlen, nur um noch ein bisschen Geld zu bekommen. Dann gibt es eine Lösung, die viele nicht kennen: die zweite Grundschuld oder auch Nachrangdarlehen.

Was ist eine zweite Grundschuld?

Eine zweite Grundschuld ist kein neuer Kredit, der einfach obendrauf kommt. Sie ist ein zweites Pfandrecht an deiner Immobilie, das im Grundbuch hinter der ersten Grundschuld eingetragen wird. Das bedeutet: Wenn deine Immobilie versteigert wird - etwa weil du nicht mehr zahlen kannst - dann bekommt der erste Kreditgeber sein Geld zuerst. Erst danach, wenn noch Geld übrig ist, wird der zweite Gläubiger bedient.

Diese Struktur ist gesetzlich geregelt. Nach § 1191 BGB ist eine Grundschuld ein unabhängiges Grundpfandrecht. Sie steht nicht direkt in Verbindung mit der ursprünglichen Forderung. Das heißt: Du kannst eine Grundschuld auch dann behalten, wenn du den Kredit bereits abgezahlt hast - sie bleibt im Grundbuch, bis sie gelöscht wird. Bei einer zweiten Grundschuld wird sie also als nachrangiges Recht eingetragen. Sie hat keinen Vorrang, sondern folgt auf die erste.

Warum nutzt man eine Nachrangfinanzierung?

Der größte Vorteil liegt auf der Hand: Du bekommst zusätzliches Kapital, ohne deine erste Finanzierung abzulösen. Das ist besonders praktisch, wenn du noch lange an deiner ersten Baufinanzierung festhältst - etwa weil du günstige Zinsen hast oder eine lange Laufzeit gewählt hast.

Typische Anwendungsfälle sind:

  • Modernisierungen (Heizung, Fenster, Dämmung)
  • Erweiterungen (Dachgeschoss, Anbau, Garage)
  • Überbrückung von Finanzierungslücken (z. B. wenn du eine Immobilie kaufst, aber noch nicht verkaufst)

Ein konkretes Beispiel: Du hast eine Immobilie mit einem Beleihungswert von 300.000 Euro. Deine erste Grundschuld beträgt 180.000 Euro - das sind 60 %. Du möchtest 50.000 Euro für die Sanierung des Daches ausgeben. Mit einer zweiten Grundschuld kannst du diese Summe aufnehmen, solange die Gesamtbelastung nicht über 80 % des Beleihungswerts liegt. 180.000 + 50.000 = 230.000 Euro. Das ist unter 240.000 Euro (80 % von 300.000). Also möglich.

Wie hoch sind die Kosten und Zinsen?

Die Zinsen für eine zweite Grundschuld sind höher als für die erste. Warum? Weil das Risiko für die Bank steigt. Wenn die Immobilie versteigert wird, ist sie erst nach dem ersten Gläubiger bedient. Deshalb verlangen Banken einen Zinsaufschlag von durchschnittlich 0,5 bis 1,5 Prozentpunkten. Bei einem ersten Darlehen mit 4,3 % kannst du also mit 4,8 % bis 5,8 % rechnen - manchmal sogar höher.

Dazu kommen weitere Kosten:

  • Wertgutachten: Ein amtlich anerkannter Sachverständiger muss die Immobilie neu bewerten. Das kostet zwischen 300 und 600 Euro.
  • Notarkosten: Die Eintragung der zweiten Grundschuld muss notariell beurkundet werden. Das kostet etwa 1,5 % des Kreditbetrags. Bei 50.000 Euro sind das 750 Euro.
  • Bankgebühren: Manche Institute erheben eine Bearbeitungsgebühr von 1-2 %.

Ein Beispiel: Du nimmst 50.000 Euro als Nachrangdarlehen auf. Die Zinsen liegen bei 5,2 %. Die Notarkosten betragen 750 Euro, das Gutachten 450 Euro. Das sind schon 1.200 Euro an einmaligen Kosten - ohne Berücksichtigung der monatlichen Zinsen. Das macht die Finanzierung teuer, wenn du nur kurzfristig Geld brauchst.

Wann wird eine zweite Grundschuld abgelehnt?

Nicht jeder bekommt eine Nachrangfinanzierung. Die Bank prüft drei Dinge besonders streng:

  1. Beleihungsgrenze: Die Summe aus erster und zweiter Grundschuld darf 80 % des Beleihungswerts nicht überschreiten. Wenn du schon 75 % belastet hast, bleibt nur noch 5 % Spielraum. Das reicht für eine größere Sanierung oft nicht.
  2. Bonität: Dein Einkommen und deine Ausgaben werden genauer geprüft als bei der Erstfinanzierung. Viele Banken verlangen einen niedrigeren Schuldenstand und eine höhere Ersparnisquote.
  3. Sicherheiten: 78 % der Antragsteller brauchen zusätzliche Sicherheiten - wie eine Bürgschaft, ein Wertpapierdepot oder ein Sparkonto als Deckung. Das ist bei Erstfinanzierungen nur bei 35 % der Fälle nötig.

Ein Fall aus der Praxis: Ein Nutzer auf finanzfrage.net hatte eine Restschuld von 180.000 Euro bei einem Beleihungswert von 240.000 Euro - das sind 75 %. Er wollte 40.000 Euro für die Sanierung aufnehmen. Die Bank lehnte ab. Er musste stattdessen einen teuren Ratenkredit mit 9 % Zinsen nehmen - und das ohne Sicherheit an der Immobilie.

Zwei Gewichte auf einer Waage: erste und zweite Grundschuld, dargestellt als symbolische Lasten auf einem Haus.

Wer bietet Nachrangdarlehen an?

Die größten Anbieter sind nicht die großen Direktbanken, sondern die regionalen Institute:

Marktanteile bei Nachrangdarlehen (2023)
Anbieter Marktanteil
Sparkassen 38 %
Volks- und Raiffeisenbanken 29 %
Direktbanken 18 %
Private Banken 15 %

Sparkassen und Genossenschaftsbanken kennen ihre Kunden und haben oft mehr Spielraum. Sie bewerten nicht nur die Zahlen, sondern auch die persönliche Situation. Direktbanken hingegen arbeiten mit starren Algorithmen - und lehnen oft ab, wenn die Beleihungsgrenze knapp ist.

Was sagt die aktuelle Zinslage?

Die Zinsentwicklung hat sich 2024 deutlich verändert. Die Zinsen für erstrangige Darlehen liegen bei 4,5-5,5 %. Dazu kommt ein Zinsaufschlag von 1-2 Prozentpunkten für die zweite Grundschuld. Das bedeutet: Du zahlst 5,5-7,5 % - oft mehr als bei einem ungesicherten Ratenkredit.

Experten warnen: „Mit steigenden Basiszinsen vergrößern sich die Margen zwischen erstrangigen und nachrangigen Darlehen, was die Nachfrage dämpft“, sagt Dr. Julia Bergmann vom DIW. Viele Verbraucher unterschätzen, wie schnell die monatliche Belastung steigt - besonders wenn sie bereits nah an der 35 %-Grenze ihres Haushaltseinkommens für Immobilienkosten liegen.

Die Stiftung Warentest weist in ihrer Ausgabe 11/2023 darauf hin: „Viele Nutzer überschreiten unbemerkt die Schmerzgrenze von 35 % des Haushaltseinkommens für Immobilienfinanzierung.“ Das führt zu Zahlungsproblemen - besonders wenn Zinsen steigen oder das Einkommen sinkt.

Wie läuft der Antrag ab?

Der Prozess ist komplexer als bei der ersten Finanzierung, aber nicht unmöglich. So gehst du vor:

  1. Immobilienwert ermitteln: Lass deine Immobilie von einem anerkannten Sachverständigen bewerten. Das Gutachten brauchst du für die Bank.
  2. Beleihungsauslauf berechnen: Addiere deine Restschuld der ersten Grundschuld mit dem gewünschten Betrag der zweiten. Prüfe, ob du unter 80 % bleibst.
  3. Bonitätsprüfung: Die Bank prüft dein Einkommen, deine Ausgaben, deine Kreditwürdigkeit. Du brauchst oft mehr Nachweise als bei der Erstfinanzierung.
  4. Notarvertrag aufsetzen: Der Notar erstellt den Vertrag für die Eintragung der zweiten Grundschuld. Du zahlst 1,5 % des Kreditbetrags.
  5. Eintragung im Grundbuch: Nach der Beurkundung wird die zweite Grundschuld im Grundbuch eingetragen. Das dauert meist 2-4 Wochen.

Die Bearbeitungszeit ist länger: 6-8 Wochen sind normal. Doch seit 2023 haben 65 % der Banken digitale Tools eingeführt. Die Bearbeitungszeit sinkt auf durchschnittlich 3,5 Wochen - besonders bei Sparkassen und großen Volksbanken.

Baum mit zwei Wurzeln, eine dicke für die Erstfinanzierung, eine dünnere für das Nachrangdarlehen, verbunden mit Sanierungs-Symbolen.

Was ändert sich 2024/2025?

Die Bundesregierung plant mit dem Wohnraumförderungsgesetz 2024 neue Anreize. Ab 2025 soll es bei energetischen Sanierungen - also bei Dämmung, Fensteraustausch, Wärmepumpe - spezielle Förderbedingungen für Nachrangfinanzierungen geben. Das könnte die Zinsen senken oder staatliche Zuschüsse ermöglichen.

Langfristig wird die Nachfrage steigen. Das Institut für Finanzdienstleistungen (IFF) prognostiziert ein jährliches Wachstum von 5,3 % bis 2028. Warum? Weil immer mehr Immobilien älter werden und modernisiert werden müssen. In Deutschland gibt es über 18 Millionen Wohngebäude - mehr als 60 % davon wurden vor 1980 gebaut.

Wann ist eine zweite Grundschuld sinnvoll?

Die Antwort ist einfach: Nur, wenn du sie wirklich brauchst - und wenn du die Risiken kennst.

Sinnvoll ist sie, wenn:

  • Du die Beleihungsgrenze von 80 % nicht überschreitest
  • Du eine langfristige Sanierung planst (z. B. Heizung, Dämmung)
  • Du eine günstige erste Finanzierung hast und nicht ablösen willst
  • Du deine monatliche Belastung im Griff hast - und mindestens 10 % Einkommenspuffer hast

Vermeide sie, wenn:

  • Du bereits mehr als 70 % deines Beleihungswerts belastet hast
  • Du nur kurzfristig Geld brauchst (dann ist ein Ratenkredit günstiger)
  • Du unsicher bist, ob du die Zinsen und Kosten tragen kannst
  • Du keine zusätzliche Sicherheit hast und die Bank sie verlangt

Die Umfrage des Deutschen Instituts für Immobilienwirtschaft (DII) aus September 2023 zeigt: 68 % der Nutzer sind zufrieden - aber 22 % haben Probleme mit den hohen Zinsen, 10 % mit der komplizierten Abwicklung. Es ist kein einfacher Kredit. Es ist ein Werkzeug - und wie jedes Werkzeug kann es helfen oder verletzen.

Was kommt als Nächstes?

Wenn du eine zweite Grundschuld in Betracht ziehst, prüfe zuerst: Wie hoch ist dein aktueller Beleihungsauslauf? Wie viel Einkommen bleibt nach deinen monatlichen Kosten übrig? Und: Was passiert, wenn die Zinsen noch weiter steigen?

Ein Gespräch mit einem unabhängigen Kreditberater lohnt sich - nicht bei deiner Bank, sondern bei einem neutralen Experten. Sieh es nicht als letzte Rettung, sondern als strategische Entscheidung. Denn eine zweite Grundschuld ist kein Notfallkredit. Sie ist ein Teil deiner langfristigen Immobilienstrategie.

Was ist der Unterschied zwischen erstrangiger und nachrangiger Grundschuld?

Die erstrangige Grundschuld ist das erste Pfandrecht an deiner Immobilie und hat Vorrang bei einer Zwangsversteigerung. Die nachrangige Grundschuld steht im Grundbuch hinter der ersten und wird erst bedient, wenn das Geld der ersten Forderung vollständig beglichen ist. Das macht sie riskanter für den Kreditgeber - und teurer für dich als Kreditnehmer.

Darf ich zwei Grundschulden gleichzeitig haben?

Ja, das ist möglich und häufig. Viele Immobilienbesitzer haben eine erstrangige Grundschuld für die Erstfinanzierung und eine nachrangige für Sanierungen oder Erweiterungen. Wichtig ist nur: Die Summe beider Grundschulden darf nicht mehr als 80 % des Beleihungswerts der Immobilie betragen.

Wie hoch sind die Zinsen für eine zweite Grundschuld?

Die Zinsen liegen typischerweise 0,5 bis 1,5 Prozentpunkte über denen der ersten Grundschuld. Bei einem erstrangigen Darlehen mit 4,5 % kannst du mit 5,0-6,0 % rechnen. In der Praxis liegen sie oft bei 5,5-7,5 %, besonders wenn du eine hohe Belastung hast oder keine zusätzliche Sicherheit bietest.

Kann ich eine zweite Grundschuld auch bei meiner eigenen Bank beantragen?

Ja, das ist oft die einfachste Lösung. Deine Bank kennt deine Finanzlage, deine Zahlungsgeschichte und deine Immobilie. Aber: Sie ist nicht verpflichtet, dir eine zweite Grundschuld zu gewähren. Viele Banken lehnen ab, wenn die Beleihungsgrenze knapp ist oder deine Bonität nicht ausreicht.

Was passiert, wenn ich die zweite Grundschuld nicht zurückzahlen kann?

Wenn du zahlungsunfähig wirst, kann die Bank die Immobilie versteigern. Der erste Gläubiger erhält sein Geld zuerst. Wenn danach noch Geld übrig ist, wird auch der zweite Gläubiger bedient. Wenn nicht, bleibt dir die zweite Schuld hängen - und die Bank kann andere Vermögenswerte von dir einziehen, wie z. B. Gehalt, Sparguthaben oder andere Immobilien.

Gibt es staatliche Förderungen für Nachrangdarlehen?

Bis Ende 2024 gibt es keine allgemeine Förderung. Aber ab 2025 plant die Bundesregierung mit dem Wohnraumförderungsgesetz spezielle Zuschüsse oder günstigere Konditionen für Nachrangdarlehen, die für energetische Sanierungen genutzt werden - also für Dämmung, Fenster oder Wärmepumpen.

Wie lange dauert es, bis eine zweite Grundschuld eingetragen ist?

Mit digitalen Prozessen dauert es heute durchschnittlich 3,5 Wochen. Ohne digitale Unterstützung waren es früher bis zu 8 Wochen. Der längste Teil ist die Bewertung der Immobilie und die Notarabwicklung. Die Eintragung im Grundbuch selbst dauert nur wenige Tage.