Bankfinanzierte Immobilien im Nachlass: Haftung und Abwicklung für Erben
8 Dezember 2025 0 Kommentare Tilman Fassbinder

Bankfinanzierte Immobilien im Nachlass: Haftung und Abwicklung für Erben

Wenn ein Familienmitglied stirbt und eine Immobilie mit noch laufendem Kredit hinterlässt, ist das keine einfache Angelegenheit. Viele Erben wissen nicht, dass sie plötzlich für Schulden verantwortlich sind, die sie nie unterschrieben haben. Ein Haus mit 150.000 Euro Restschuld - das klingt nach einem Geschenk, wird aber schnell zur Last. Die Bank zahlt nicht einfach auf, der Kredit bleibt bestehen. Und wer erbt, erbt auch die Verpflichtung, ihn zu bedienen. Das ist kein Mythos. Das ist deutsches Recht.

Was bedeutet es, eine bankfinanzierte Immobilie zu erben?

Wenn jemand stirbt, der eine Immobilie mit einem Darlehen finanziert hat, geht das gesamte Vermögen - inklusive Schulden - auf die Erben über. Das ist kein Bonus, sondern eine rechtliche Tatsache. Der Kreditvertrag bleibt bestehen. Die Bank kennt keinen Erbfall. Sie hat einen Vertrag mit dem Verstorbenen, aber nach dem Tod wird dieser Vertrag auf die Erben übertragen. Das ist nicht nur eine Frage der Moral, sondern der Gesetze: § 1967 Abs. 2 BGB sagt klar, dass alle Schulden des Erblassers, also auch Hypotheken, Bauspardarlehen oder Ratenkredite, Teil des Nachlasses sind.

Ein Beispiel: Ein 72-jähriger Mann stirbt. Er hat sein Haus vor 15 Jahren gekauft, mit einem Kredit von 200.000 Euro. Heute ist noch 135.000 Euro offen. Er hat zwei Kinder. Sie erben das Haus - und mit ihm die Schulden. Die Bank erwartet weiterhin die monatlichen Raten. Wenn die Erben nicht zahlen, droht die Zwangsvollstreckung. Kein Witz. Kein Missverständnis. Das ist Standard.

Wie stark haften Erben?

Die gute Nachricht: Sie haften nicht mit Ihrem eigenen Geld, wenn der Nachlass nicht reicht. Das ist der Unterschied zwischen persönlicher Haftung und Nachlasshaftung. Gemäß § 1358 BGB haften Erben nur mit dem Vermögen, das der Verstorbene hinterlassen hat. Wenn das Haus nur noch 100.000 Euro Wert ist, aber die Schulden 135.000 Euro betragen, dann müssen die Erben die Differenz nicht aus ihrer Tasche bezahlen. Die Bank verliert 35.000 Euro.

Die schlechte Nachricht: Solange es keine Erbteilung gibt, haften alle Erben gemeinsam - als Gesamtschuldner. Das bedeutet: Die Bank kann jeden einzelnen Erben zur Zahlung auffordern, egal ob er 10 % oder 90 % des Nachlasses geerbt hat. Wenn einer zahlt, kann er sich später von den anderen Erben den Anteil zurückholen. Aber bis dahin sitzt er mit der Rechnung da. Ein Urteil des Landgerichts Amberg vom 1. Februar 2024 (AZ: 12 O 591/23) hat das nochmal bestätigt: Ein Erbe musste 17.180 Euro für ein Bauspardarlehen zahlen, obwohl er den Vertrag nie unterschrieben hatte. Er war nur Miterbe.

Was passiert, wenn der Nachlass überschuldet ist?

Wenn die Schulden höher sind als das Vermögen, haben Erben zwei Möglichkeiten: Sie können die Erbschaft ausschlagen - oder die Nachlassinsolvenz beantragen.

Die Ausschlagung ist einfach, aber endgültig. Sie müssen innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Tod des Erblassers beim Nachlassgericht einen Antrag stellen (§ 1944 BGB). Wenn Sie zu spät kommen, gilt die Erbschaft als angenommen - und Sie haften mit Ihrem eigenen Geld, wenn der Nachlass nicht reicht. Viele Erben verpassen diese Frist, weil sie nicht wissen, dass sie handeln müssen. Ein Fehler mit schwerwiegenden Folgen.

Alternativ können Sie die Nachlassinsolvenz beantragen. Das ist ein gerichtliches Verfahren, bei dem ein Insolvenzverwalter den Nachlass verwaltet. Die Bank bekommt, was da ist. Die Erben bleiben verschont. Aber: Es kostet Geld. Die Kosten für das Verfahren werden aus dem Nachlass bezahlt. Wenn nichts mehr da ist, zahlt niemand. Die Bank ist dann leer ausgegangen. Dieser Weg ist sinnvoll, wenn der Nachlass komplett überschuldet ist und keine Chance auf Verkauf oder Umschuldung besteht.

Eine Waage mit Haus und Kreditpapieren, symbolisiert die Last der geerbten Schulden.

Was müssen Erben als erstes tun?

Die ersten drei Monate nach dem Tod sind entscheidend. Nicht die Trauer, nicht die Bestattung - sondern die Finanzlage. Hier sind die konkreten Schritte:

  1. Prüfen Sie den Schuldenstand. Holen Sie alle Kreditverträge, Bankbriefe und Grundbucheinträge. Wie hoch ist die Restschuld? Wie hoch ist die monatliche Rate? Gibt es Sondertilgungen oder Kündigungsfristen?
  2. Lesen Sie den Kreditvertrag. Steht darin etwas über den Erbfall? Viele Verträge enthalten Klauseln, die eine Kündigung durch die Erben erlauben - oft mit kürzeren Fristen als sonst. Einige Banken bieten sogar Sonderkündigungsrechte an, wenn der Kreditnehmer stirbt.
  3. Kontaktieren Sie die Bank. Sprechen Sie nicht nur mit dem Kundenbetreuer - fragen Sie nach dem Abteilungsleiter für Kreditmanagement. Sagen Sie klar: „Wir sind Erben. Wir wollen die Situation klären.“ Viele Banken warten ab. Sie müssen die Initiative ergreifen.
  4. Berechnen Sie die Tragbarkeit. Können Sie die Raten zahlen? Haben Sie Einkommen? Ist das Haus vermietet? Oder ist es Ihr Eigenheim? Ein Haus mit 1.200 Euro Raten ist leicht zu halten, wenn man 4.000 Euro verdient. Aber wenn Sie arbeitslos sind oder nur Rente bekommen, ist das eine Belastung, die nicht zu stemmen ist.
  5. Prüfen Sie die Verkaufsoption. Wenn die Schulden höher sind als der Marktwert, kann ein Verkauf sinnvoll sein. Die Bank muss dem Verkauf zustimmen, aber oft ist sie bereit, weil sie so wenigstens etwas zurückbekommt. Ein Verkauf ist besser als Zwangsvollstreckung.

Warum scheitern viele Erben?

Die Deutsche Anwaltvereinigung sagt: 42 Prozent der über 65-Jährigen mit Immobilienkrediten haben kein ausreichendes Eigenkapital, um den Kredit abzusichern. Das bedeutet: Wenn sie sterben, bleibt den Erben oft nur eine schlechte Wahl - zahlen oder verlieren.

Ein weiteres Problem: Die Banken informieren nicht. Eine Studie der Universität Heidelberg zeigt: 27 Prozent der Erben erfahren erst nach dem Tod, dass sie für den Kredit haften. Die Bank hat den Vertrag mit dem Verstorbenen, nicht mit den Erben. Sie hat keinen Grund, sich um die Familie zu kümmern. Die Verbraucherzentrale berichtet von Fällen, in denen Erben sechs Monate lang keine Informationen erhielten - bis die Bank plötzlich mit Kündigung drohte.

Ein Erbe aus Berlin schrieb in einem Forum: „Ich habe das Haus geerbt, weil es schön war. Ich wusste nicht, dass die Bank nach drei Monaten die Raten einfordert. Ich hatte keine Arbeit. Ich musste verkaufen - und bekam weniger als die Restschuld.“

Was ändert sich bald?

Die Gesetze ändern sich. Seit April 2024 liegt ein Entwurf des Bundesjustizministeriums vor, der ab Ende 2025 in Kraft treten soll. Der Kern: Banken müssen Erben beim Abschluss des Kredits über die Folgen im Erbfall informieren. Das heißt: Wenn jemand heute einen Kredit für ein Haus aufnimmt, muss ihm die Bank sagen: „Wenn Sie sterben, haften Ihre Erben für diese Schulden.“

Dieser Schritt ist notwendig. Denn 58 Prozent der Erben wussten laut einer Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) vom März 2024 nicht, dass sie für fremde Kredite haften. Das ist kein Mangel an Verantwortung - das ist ein Mangel an Transparenz.

Auch die Deutsche Kreditwirtschaft hat einen Selbstverpflichtungskodex eingeführt: Banken müssen innerhalb von 30 Tagen nach Kenntnis vom Tod die Erben schriftlich informieren. Das ist ein Anfang. Aber es bleibt zu hoffen, dass die Reform auch wirklich umgesetzt wird - und nicht nur auf Papier steht.

Ein Haus aus Banknoten bricht auseinander, während Hände es halten und eine Frist abläuft.

Was tun, wenn Sie schon die Erbschaft angenommen haben?

Sie haben die Erbschaft angenommen - und jetzt merken Sie, dass die Schulden zu hoch sind? Dann ist es nicht zu spät. Sie können immer noch mit der Bank verhandeln. Viele Banken sind bereit, die Raten zu senken, die Laufzeit zu verlängern oder sogar einen Teil der Schulden zu erlassen - wenn die Erben ein realistisches Zahlungsmodell vorlegen.

Ein Beispiel aus dem Forum Immoverkauf24.de: Drei Geschwister erbten ein Haus mit 150.000 Euro Restschuld. Die monatliche Rate lag bei 1.200 Euro - zu viel für sie. Sie baten die Bank um Umschuldung. Die Bank prüfte ihre Einkünfte, sah, dass sie keine große Zahlungsfähigkeit hatten, und einigte sich auf eine neue Rate von 750 Euro über 25 Jahre. Die Zinsen stiegen leicht, aber die Belastung wurde tragbar.

Das ist kein Einzelfall. Es ist eine Strategie, die funktioniert - wenn man rechtzeitig handelt.

Wann brauchen Sie einen Anwalt?

Wenn es mehr als zwei Erben gibt, wenn die Schulden höher sind als der Wert der Immobilie, oder wenn die Bank unkooperativ ist - dann brauchen Sie einen Fachanwalt für Erbrecht. Die Deutsche Notarkammer sagt: 78 Prozent der Erben holen sich professionelle Hilfe. Das ist kein Zeichen von Schwäche. Das ist klug.

Ein Anwalt kann:

  • die Erbengemeinschaft rechtssicher organisieren
  • die Bank mit formellen Anträgen konfrontieren
  • die Nachlassinsolvenz beantragen
  • den Verkauf der Immobilie vorbereiten und durchsetzen

Es kostet Geld - aber weniger als eine Zwangsvollstreckung oder eine persönliche Haftung.

Was bleibt?

Bankfinanzierte Immobilien im Nachlass sind kein Problem der Vergangenheit. Sie sind eine Realität der Gegenwart. In Deutschland werden jährlich etwa 323.000 Immobilien vererbt, die noch mit Krediten belastet sind. Das sind mehr als 38 Prozent aller geerbten Häuser. Die Zahl steigt, weil immer mehr Menschen im Alter noch Kredite aufnehmen - oft, weil sie nicht mehr genug Eigenkapital haben.

Die Lösung liegt nicht in Angst, sondern in Wissen. Wer weiß, was kommt, kann handeln. Wer nicht weiß, wird überrascht - und dann ist es oft zu spät.

Wenn Sie einen Verwandten verloren haben, der eine Immobilie mit Kredit hatte: Ziehen Sie nicht sofort die Trauer an. Ziehen Sie die Akten an. Holen Sie die Verträge. Rufen Sie die Bank an. Suchen Sie Hilfe. Denn ein Haus ist kein Geschenk - wenn es mit Schulden belastet ist. Es ist eine Verantwortung. Und die kann man meistern - wenn man rechtzeitig anfängt.

Haften Erben mit ihrem eigenen Vermögen für den Kredit des Erblassers?

Nein, Erben haften nur mit dem Nachlassvermögen - also mit dem Wert der Immobilie und anderen Vermögensgegenständen, die der Verstorbene hinterlassen hat. Wenn die Schulden höher sind als der Nachlasswert, müssen die Erben nichts aus ihrem privaten Geld bezahlen. Das ist in § 1358 BGB klar geregelt. Eine persönliche Haftung über den Nachlass hinaus gibt es nicht, es sei denn, der Erbe hat den Kreditvertrag selbst unterschrieben oder eine Bürgschaft übernommen.

Was passiert, wenn ich die Erbschaft nicht rechtzeitig ausschlage?

Wenn Sie die Erbschaft nicht innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Tod ausschlagen, gilt sie automatisch als angenommen. Danach haften Sie mit dem gesamten Nachlass - und wenn dieser nicht reicht, können Sie nicht mehr zurücktreten. Die Bank kann Sie dann zur Zahlung auffordern, und wenn Sie nicht zahlen, droht die Zwangsvollstreckung. Die Frist ist streng - und viele Erben verpassen sie, weil sie nicht wissen, dass sie handeln müssen.

Kann ich den Kredit nach dem Erbfall kündigen?

Ja, oft können Erben den Kredit kündigen - aber nicht einfach so. Sie müssen prüfen, ob der Kreditvertrag eine Sonderkündigungsregelung für den Erbfall enthält. Viele Verträge erlauben eine außerordentliche Kündigung mit einer kurzen Frist (z. B. drei Monate). Wenn nicht, können Sie trotzdem mit der Bank verhandeln. Viele Banken sind bereit, den Vertrag aufzulösen, wenn die Immobilie verkauft wird oder wenn die Raten nicht mehr bezahlt werden können. Eine Kündigung ist nicht automatisch möglich, aber oft möglich - wenn man sie richtig anspricht.

Was ist eine Nachlassinsolvenz und wann macht sie Sinn?

Die Nachlassinsolvenz ist ein gerichtliches Verfahren, bei dem ein Insolvenzverwalter den Nachlass verwaltet und die Schulden begleicht. Sie macht Sinn, wenn die Schulden höher sind als das Vermögen und die Erben keine Möglichkeit sehen, die Raten zu zahlen. Die Bank bekommt, was da ist - die Erben bleiben verschont. Der Nachteil: Es kostet Geld und dauert Monate. Aber es ist der sicherste Weg, wenn der Nachlass überschuldet ist und keine andere Lösung mehr möglich ist.

Warum informieren Banken Erben oft nicht?

Banken haben keinen rechtlichen Anreiz, Erben zu informieren. Der Vertrag ist mit dem Verstorbenen geschlossen - nicht mit den Erben. Sie warten, bis die Raten ausbleiben, und reagieren dann. Erst wenn es zu spät ist, schicken sie Briefe. Das ist kein Fehler, sondern System. Deshalb ist es wichtig, dass Erben selbst aktiv werden. Die neue Rechtsreform ab 2025 soll das ändern: Dann müssen Banken Erben beim Kreditabschluss über die Folgen im Erbfall aufklären - aber bis dahin liegt die Verantwortung bei Ihnen.